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Dienstag, 18. August 2015

Ruth Beckermann: the missing image


Temporäre Installation
12. März bis 10. November 2015
Ort: Albertinaplatz, 1010 Wien

 


Kunst im öffentlichen Raum ist leider oft schwierig und sogar ein bisschen traurig. In einer Zeit, wo neue Architektur nicht so inspirierend ist, fällt ein großes Feld möglicher Kunstproduktion, bzw. – rezeption einfach weg. Der Versuch, die Menschen dennoch mit Kunst zu konfrontieren ist ein wundervoller, aber unglaublich schwerer – denn jedes Ding, das ein paar Tage lang ständig wahrgenommen wird, wird normal. Selbst der Stephansdom wird dann normal und niemand wundert sich mehr über dieses urzeitliche Drachenwesen aus hellem Ornament und Licht, das da mitten in der Stadt hockt. Um wie viel unscheinbarer und alltäglicher müssen den Menschen all die in der Stadt verstreuten Statuen, Mosaiken und Brunnen erscheinen… allein die Kunst-am-Bau der Gemeindebauten hat eine Vielzahl an Beispielen für kleine und große Werke teils namhafter Künstler, mit denen sich garantiert niemand auseinandersetzt, weil die einfach da stehen und scheinbar immer schon da waren und gar niemandem mehr die Idee kommt, dass dahinter etwas stecken könnte (was ja auch wohl nicht immer der Fall ist – aber die Möglichkeit besteht!)
Zusätzlich zum Gewöhnungsfaktor ist es natürlich ganz primär schwierig gute Kunst zu finden, und dann noch gute witterungsbeständige Kunst
Der einzige Grund, Kunst in den öffentlichen Raum zu bringen, wäre doch der, jedem Passanten die Möglichkeit zu geben, anhand dieses Werks etwas in sich zu ergründen. So meine naive Vorstellung von Kunst und natürlich auch der im öffentlichen Raum. Meistens bin ich enttäuscht.
Seit März und noch bis November gibt es am Albertinaplatz  beim „Mahnmal gegen Krieg und Faschismus“ von Alfred Hrdlicka eine temporäre Installation, die durchaus Möglichkeit zur Selbsterkenntnis birgt – Erkenntnis des Horrorkabinetts, das im menschlichen Geist lauert. Die Künstlerin Ruth Beckermann hat dem Mahnmal das „missing image“ hinzugefügt: die Erniedriger, Quäler, die Zuschauer , das wirklich Entsetzliche. Auf zwei Bildschirmen zeigt die Künstlerin Bilder des einzigen erhaltenen Videomitschnitts einer „Reibpartie“ – so wurde es genannt, wenn Juden dazu gezwungen wurden, mit Bürsten und Lauge die Straße zu schrubben… und rundherum die Menschen standen und sich daran ergötzten, das Machtgefühl genossen. Diese Bilder hat die Künstlerin auf die Figur des am Boden kauernden Mannes ausgerichtet, der mit Reibbürste und von Stacheldraht umwunden als zutiefst erniedrigt und entmenschlicht dargestellt ist.
Und so blickt man das erstemal in diese Gesichter der umstehenden Menschen, echter, lebender Menschen aus dem Jahr  1938 und sieht, was man ja weiß, aber was nie so offenbar war, dass es ganz normale Gesichter sind, alltägliche Leute, keine Monster und man erschrickt und weiß irgendwie, dass so etwas jederzeit passieren könnte. Der kleine Mann von der Straße. Und was würde man selbst tun? Sich zumindest nicht an der Erniedrigung erfreuen… aber würde man helfen, für die Gequälten einstehen? Hätte man den Mut?
Kunst konfrontiert – und nicht immer ist das sehr psychologisch oder metaphysisch, manchmal ist es ganz handfest.

Mittwoch, 12. August 2015

Hana Usui - Schwarzer Regen


Salon M
6.8.-29.8.2015


Zur Eröffnung des Salon M in der Myrthengasse, Peter Bogners neuestem Projekt, zeigt Kurator Marcello Farabegoli Arbeiten von Hana Usui. Die japanische Künstlerin, die in ihrer Heimat in Kalligraphie ausgebildet wurde und sich nach ihrem Umzug nach Wien ganz einem westlichen Kunstverständnis zugewandt hat, ist bekannt für ihre einprägsamen Arbeiten, die hauchzarte Tuscheschleier mit präzise gesetzten Linien verbinden.
Die Schönheit dieser Kunst verbirgt im konkreten Fall allerdings ein schreckliches Thema: Am 7. und 9. August jähren sich die  Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki zum 70. Mal. Kurator und Künstlerin nehmen dies als Anlass, die Ausstellung „Schwarzer Regen“ ein zweites Mal zu zeigen und eindringlich auf dieses Datum hinzuweisen, das heute für den Betrachter wohl auch unauflösbar mit den Ereignissen in Fukushima verbunden ist.
Hana Usui bearbeitet das hochsensible Thema einfühlsam und berührend. In Anlehnung an Masuji Ibuses Roman „Schwarzer Regen“ und seine Verfilmung, die sie immer wieder zitiert, spricht sie von Sterben, Leiden, Tod, Trauer und Mitleiden. Die Linien, die vor der Tiefe der Tuschewolken vibrieren, sind gespannt und verletzbar wie das Leben selbst – jederzeit können sie zerreißen. Gerade durch die vordergründige Schönheit der Arbeiten berührt die Härte des Themas bis ins Mark, seien es Spuren des schwarzen Regens, die von der Künstlerin umgesetzt werden, jenes radioaktiven Ascheregens nach einer atomaren Katastrophe, den die in der Hitze verdurstenden Menschen in höchster Not sogar tranken, seien es die direkten Auswirkungen der Atombombenabwürfe: Die Menge der Toten nach den Explosionen war so groß, dass sich riesige Fliegenschwärme in der Stadt ausbreiteten. Dieser besonderer Schrecken findet Niederschlag in einer zwanzig Meter langen Arbeit mit hauchzarten kalligraphischen Zeichen in Tusche, über die Punkte in weißem und schwarzem Öl tanzen: Hier sind die Fliegenschwärme von buddhistischen Sutras hinterfangen, erhalten die Toten ihre letzten Gebete.
Ähnlich fein und erschütternd war die Performance der japanischen Tänzerin Aiko Kazuko Kurosaki bei der Eröffnung. Diese feinsinnige und kraftvolle Ausstellung ist ein würdiger Eröffnungsakt für einen neuen Raum, der neben Ausstellungen auch Diskussionen und anderen Aufgaben eines Salons Platz bieten wird.

Mittwoch, 22. April 2015

Radical Busts


Künstlerin: Marianne Maderna
Ort: Arkadenhof der Universität Wien
2.3.-26.4.2015

Knapp zwei Monate lang hatte die rein männliche Denkmalgesellschaft im Arkadenhof der Universität Wien die Ehre hoher weiblicher Gäste. Den klaren, starren, in typischer Repräsentationsmanier angelegten Büsten männlicher Wissenschaftler stehen 33 Köpfe bekannter Frauen der Geschichte gegenüber, ihre goldenen Gesichtszüge verzogen und verschleiert, als könne man sie über die zeitliche Distanz nur schwer fassen – oder als wären zu viele Schleier und Ideen, Unklarheiten und Legenden über sie gerankt, als dass man sie so klar erkennen könnte, wie ihre männlichen Kollegen. Die an den Innenseiten der Pfeiler stehenden Denkmäler – drei befinden sich in der Aula – wirken auf ihren gleichhohen Sockeln und in der regelmäßige Aufstellung, mit ihren bewegten  Konturen in lichtspielendem Gold wie geisterhafte Gestalten, die aus der Tiefe der Zeit aufgetaucht sind, ihre männlichen Kollegen zu konfrontieren. Sie wirken ephemer, als könnten sie vom Wind verweht werden und gleichzeitig so, als würden sie die Zeiten eher überdauern, als die im Gegensatz zutiefst menschlich und erdgebunden wirkenden Steinbildnisse. Dem Betrachter mag von Ferne, dem Blick entlang der Arkaden folgend, so scheinen, als ob die Gruppen miteinander kommunizierten, Erstaunen hier, schweigende Anklage dort. Anstatt der klaren Lebensdaten und der kurzen Angabe von Name und Grund der Berühmtheit, die die Sockel der männlichen Denkmäler zieren, finden sich auf den braunen Sockeln der Frauen Gedichte der Künstlerin Marianne Maderna. Zwischen den in leicht verwischtem Graphit auf die Sockel geschriebenen Worten findet der Betrachter keinen wirklichen Anhaltspunkt für den Kopf, es entsteht vielmehr ein Gefühl. Fakten müssen nachrecherchiert werden, und das ist gut so: Radical Busts lädt zu einer tieferen Auseinandersetzung mit weiblichen Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kunst, Politk ein.
Die einfühlsamen Poems, die die Künstlerin zusammen mit den Skulpturen als Werkeinheit erschafft, (sh. Interview uni:view
http://medienportal.univie.ac.at/uniview/wissenschaft-gesellschaft/detailansicht/artikel/im-gespraech-kuenstlerin-marianne-maderna/) geben dem Betrachter ein Gefühl für die dargestellte Person, das allerdings, und das muss klar sein, dem subjektiven Einfühlen und Interpretieren der Künstlerin geschuldet ist. In einem Umfeld, das von wissenschaftlicher Arbeitsweise geprägt ist, wirkt diese Subjektivität noch krasser, scheinen die Texte oft etwas esoterisch. Die Künstlerin hat sich bei der Auswahl der Persönlichkeiten nicht beschränkt – die Einbeziehung der Päpstin Johanna oder der Maria Magdalena etwa scheint zumindest kuratorisch fragwürdig, zumindest verschleiert dieses Abgleiten ins Mystische den klaren Gesamteindruck. Die Kraft und besondere Stärke der dargestellten Frauen wird in den Texten oftmals unter den Scheffel gestellt, zugunsten der Betonung einer Opferrolle in einer patriarchalen Gesellschaft. Tatsache ist, dass die meisten der dargestellten Frauen kraftvolle Leben gelebt und alle Chancen genutzt haben, die ihre Gesellschaft und vor allem ihre oft privilegierte Sonderstellung darin ihnen erlaubte. Dies ist, ganz abgesehen von ihren großartigen Errungenschaften für die Menschheit, besonders und sollte sie auf einer ebenso starken und selbstverständlichen Ebene zeigen, wie ihre männlichen Pendants. Radical Busts zeigt letztlich eine Reihe geduldig leidender Schmerzensfrauen, die ihre Wundmale präsentieren. So entfernt das Projekt einen Schleier und verfestigt gleichzeitig einen bestehenden. Die Ausstellung führt zu einer tieferen Auseinandersetzung mit dem Thema Gleichstellung. Selbst Allen, die nur vorbeieilen, wird so klar, dass menschliche Errungenschaften männliche und weibliche Gesichter tragen. Alle anderen haben noch bis Sonntag Zeit, sich auf die Botschaften der goldglänzenden Mahnerinnen einzulassen.