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Dienstag, 3. November 2015

Ein Alter Meister

Tizians Jacopo Strada

Im allgemeinen Trubel der Partys, Happenings, Vernissagen, Finissagen der zeitgenössischen Kunst geht die in diesem Bereich naturgemäß eher stille alte Kunst tendenziell unter. Dabei hat sie Wundervolles zu bieten: Künstlerisch zeitlose Werke, die dabei ihren Zeitgeist über die Jahrhunderte an uns heutige Betrachter vermitteln. Viele dieser Arbeiten sind eher unbekannt, aber selbst die wirklich großen, angesehenen haben meist nicht mehr als einen kleinen Kennerkreis. Dazu gehört auch Tizians Porträt des Jacopo Strada, das um 1567/ 68 entstanden ist und sich heute im Kunsthistorischen Museum befindet.
Das Porträt Jacopo Stradas steht für sich. Als relativ spätes Werk Tizians ist es eine virtuose Symphonie der Farben. Hingeworfene Pinselstriche stehen am Schnittpunkt detaillierter Wiedergabe und beinahe abstrakter Farbflächen. Es ist ein Bild voller Dynamik und zeigt somit starke Unterschiede zu den typischen, gesetzten und würdevollen Standesporträts seiner Zeit – ein Blick durch den Saal I, auch auf andere Porträts Tizians, reicht aus, um sich das vor Augen zu führen . Das Gemälde thematisiert eine besondere Persönlichkeit, einen der Großen des damaligen Kunstbetriebs: Jacopo Strada war für drei römisch-deutsche Kaiser des Hauses Habsburg tätig, als Gelehrter, Numismatiker, Architekt, Sammler und „Antiquarius“, wie er auf der Tafel im Hintergrund des Bildes genannt wird.
Dennoch ist das Porträt mehr als die Darstellung einer einzelnen Person: Es zeigt den Kunstsammler und Gelehrten in seiner Tätigkeit. Im virtuosen Spiel der Farben und der Bewegung  verschwimmen alle persönlichen Züge: Gesicht und Hände sind unklar, liegen im Schatten oder sind verdeckt. Malerisch ausgearbeitet sind die Bücher des Gelehrten direkt über seinem Kopf, die (möglicherweise antike) Büste und die Venus in seinen Händen, der Brief, der auf internationale Kontakte und Ansehen hinweist, etwas dunkler daneben die den Numismatiker ausweisenden Münzen. Noch klarer sind die Zeichen seines Standes: Exakt in der Mitte des Gemäldes finden wird ein Medaillon mit einem angedeuteten Herrscherporträt an einer schweren Goldkette, wir sehen den blitzenden Schwertgriff des Höflings an seiner linken Seite und bewundern den schweren Pelz, den er sich rein demonstrativ umgelegt hat, wobei er in Kauf nimmt, dass das wertvolle Stück jeden Moment zu Boden rutscht. Jacopo Strada als Person tritt hinter den Antiquar zurück, der im Gespräch mit einem Zweiten die ihm anvertrauten Schätze hütet und erläutert, er ist Gelehrter und Höfling, eine wichtige Persönlichkeit. Doch hinter all diesen äußeren Zeichen ist der kraftvolle Charakter eines tonangebenden Mannes zu spüren, der den Blick seiner Umgebung bewusst lenkt und formt, der es als Gelehrter geschafft hat, nicht nur für die höchsten Kreise zu arbeiten, sondern auch selbst schließlich in den Adelsstand erhoben zu werden – und von einem der größten  (und teuersten) Maler seiner Zeit porträtiert zu werden, einem Meister der Farbe und der Erzählung. In diesem Gemälde trifft sich die Hochkultur, die Hochkunst, des mitteleuropäischen 16. Jahrhunderts.

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